Grand Tour - In königlicher Mission
Die Reisebegleiter der Mächtigen
Das Reisen bildet – ist eine Tatsache, die schon weit vor dem Erscheinen der ersten Reiseführer von Karl Baedeker in der Mitte des 19. Jahrhundert bekannt war.
Seit der Renaissance schickte der europäische Adel seine Sprösslinge auf eine Bildungsreise durch Europa – Grand Tour oder Kavalierstour genannt – nach Frankreich, Italien, Spanien und manchmal sogar bis ins Heilige Land. Als Abschluss ihrer Ausbildung und Erziehung besuchten sie bedeutende europäische Metropolen, besichtigten Baudenkmäler der Antike und der jüngeren Geschichte. Sie sollten fremde Kulturen, ihre Gepflogenheiten und Brauchtum kennenlernen, aber auch Sprachkenntnisse erwerben oder sie vertiefen. Auch Besuche bei befreundeten Fürstenhöfen standen auf dem Programm.
Solche Reisen, oft von einem vertrauenswürdigen Tutor begleitet, kosteten immense Summen. Sie waren also eher dem Adel oder später einer reichen bürgerlichen Klientel vorbehalten.
Heutige Reiseberichte sind mit Fotos, Videos unterlegt oder in der Zusammenfassung als Reise – Blog im Internet veröffentlicht. Zur Zeit der Grand Tour oder früher war die schriftliche Aufzeichnung in Tagebüchern oder Briefen, vielleicht mit ein paar Skizzen die Regel.
Aber das ist alles nach der Reise… Vasco da Gama, Marco Polo, Christoph Kolumbus und andere große und kleine Entdecker wussten nicht, was sie erwartet…
Wir haben unsere musikalische Expedition gut vorbereitet – denn wir haben für Sie unsere Reiseziele vorher gut studieren können.
Eine Reise? Nein – eigentlich sind es mehrere Reisen, die miteinander verbunden sind:
Einerseits reisen wir durch Europa, besuchen berühmte Metropolen und lernen durch die Musik ihre vergangene oder noch bestehende Pracht kennen.
Die andere Reise führt uns in die Vergangenheit – ein etwas schwierigeres Unternehmen, denn dazu können wir uns nicht einfach in das Auto, die Bahn oder ein Flugzeug setzen und entspannt auf die Ankunft warten – das bevorzugte Fortbewegungsmittel bei dieser Reise ist das Studium der Geschichte, fast kriminalistisch verfeinerte Suche nach Personen, Details oder weiterführenden Hinweisen, Verknüpfungen von Ereignissen, die Arbeit in Archiven, das Entdecken von Musik-Manuskripten in Bibliotheken…
Trompeter & Pauker
„Trummet ist ein herrlich Instrument / wenn ein guter Meister / der es wol und künstlich zwingen kann / darüber kömmt...“
Diesen Satz schreibt Michael Praetorius über die Trompete in seinem musiktheoretischen Werk „Syntagma Musicum“ (1615/1619) und führt dann weiter aus:
„dass die Trompeten verlängeret wurden“.
Damit war die Clarin-Lage, also das diatonische Spiel in der zweiten Oktave leichter möglich und auch die musikalische Verwendung der Trompete häufiger. Das auch „militärischen Trompeter“ diese Technik zum Musizieren benutzten, findet seinen beredten Nachweis in den Trompeterbüchern von Magnus Thomsen & Hendrich Lübeck – beide taten am Ende des 16. Jahrhunderts am Dänischen Hof ihren Dienst.
Das erste Repräsentationsinstrument der Kaiser, Könige und Fürsten verdankte also seine Sonderstellung seiner immensen militärischen Wichtigkeit: Kein Krieg konnte ohne Trompeter geführt, kein Hofstaat ohne ihre Mitwirkung sinnvoll organisiert werden. Sie begleiteten die Potentaten vergangener Zeiten von der Wiege bis zur Bahre.
Die Anzahl der Trompeter und Pauker eines Herrschers sagte viel über seine Macht und: seine Bonität aus! Denn die mit reichlich Privilegien ausgestatteten Trompeter und Pauker waren ihrem jeweiligen Dienst-Herren nicht nur lieb, sondern auch teuer!
In königlicher Mission – Trompeter auf Reisen
Während der Zeit der Renaissance und des Barock war die einfache Bevölkerung Europas eher sesshaft. Reisen waren langwierig, beschwerlich und – teuer! Dazu kam auch noch das Risiko ausgeraubt zu werden… Reisen mit dem nötigen Komfort und einer gewissen Sicherheit waren dem vermögenden Adel oder seinen Gesandten vorbehalten.
Wenn die Potentaten reisten dann waren ihre Trompeter & Pauker mit von der Partie. Denn nicht nur am heimischen Hof sollte repräsentiert werden. So waren die Trompeter gewissermaßen auch musikalische Gesandte ihres Hofes. Bei bedeutenden Adelstreffen in Europa trafen sich Trompeter & Pauker verschiedenster Nationalitäten.
Unser Programm versteht sich als eine solche Reise von Königen & Fürsten mit ihren Trompetern und Paukern durch das Europa des 17. & des beginnenden 18. Jahrhundert.
Über einen Wissensaustausch zwischen einzelnen Trompetergruppen gibt es leider keine historischen Berichte (die Trompeter waren aufgrund ihrer Kriegswichtigkeit auch selbstverständlich Geheimnisträger!). Aber es ist mehr als wahrscheinlich anzunehmen, dass bei diesen Treffen doch einige Informationen über Spieltechniken, Instrumentenbauer und auch Musik untereinander ausgetauscht wurden…
Die Musik
Strahlende, barocke Blechbläserklänge und intime Kammermusik – die Besetzung mit Trompeten, Pauken, Orgel, Theorbe & Viola da Gamba war im Europa des 16. und 17. Jahrhundert die große Ausnahme. Durch die Gesetze der deutschen Reichszunft der Trompeter und Pauker war ein direktes musikalisches Zusammenwirken von Hoftrompetern mit anderen nicht “standesgemäßen” Musikern (Violinisten, Cembalisten) streng reglementiert und eingeschränkt.
Innerhalb des Wiener Kaiserhofs und seines kulturellen Einflussbereiches waren diese Regelungen glücklicherweise nicht ganz so streng. Stark beeinflusst durch die italienische Musik und ihre farbenfrohen und vielfältigen Besetzungen, war der Einsatz von Trompeten, Pauken und Posaunen mit vielen anderen Instrumenten im großen Ensemble des Wiener Hofes, Ausdruck des Reichtums und der Machtfülle des Kaisers.
Die englische Consort-Musik des 16. und 17. Jahrhunderts ist durch ihre vielfältigen Instrumental-besetzungen bekannt. Neben reinen Streicher – und Bläserensembles gab es auch das „Broken Consort“, in dem Blas-und Streichinstrumente mitwirkten. Neben der Hofmusik der Könige entstand in England sehr früh eine eigenständige bürgerliche Musikkultur, für deren Konzerte, Theateraufführungen und Bälle auch berühmte Komponisten wie die Brüder Henry und Daniel Purcell, Jeremiah Clarke und später auch Georg Friedrich Händel ihre Musik schrieben. Repräsentation war auch in den bürgerlichen Kreisen wichtig, und so nahm die Trompete auch in diesen Kompositionen einen wichtigen Platz ein.
Erst am Beginn des 17. Jahrhunderts findet die Trompete ihren Weg in die Welt der Kunstmusik.
Neben wunderbaren Solo-Konzerten und Kantaten, welche die gesanglichen und zarten Möglichkeiten der Barocktrompete unterstreichen, blieb sie doch ihrer Rolle als Repräsentationsinstrument und Ausdruck der höchsten Macht treu.
Johann Plietzsch 2022